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Recht / Zivilrecht 
Montag, 23.01.2023

Künftige Überforderung der Eltern rechtfertigt noch keinen Eingriff in das elterliche Sorgerecht

Die Erwartung einer künftigen Überforderung der Eltern rechtfertigt noch keinen Eingriff in das elterliche Sorgerecht, denn dies ist noch keine „gegenwärtige Kindeswohlgefährdung“. Eine vorbeugende Fremdunterbringung eines schwer behinderten Kindes sei nicht gerechtfertigt. So entschied das Oberlandesgericht Braunschweig (Az. 2 UF 122/22).

Wenn das geistige, seelische oder körperliche Wohl von Kindern durch das Verhalten der sorgeberechtigten Eltern gefährdet ist, obliegt es dem Staat, die Kinder zu schützen. § 1666 BGB, die zentrale Vorschrift des zivilrechtlichen Kinderschutzes, ermöglicht es den Familiengerichten in solchen Fällen in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen. Das Sorgerecht stellt grundsätzlich ein subjektives Recht der Eltern dar, das sie im Interesse ihres Kindes auszuüben haben. Es betrifft sämtliche Lebensbereiche des Kindes und beinhaltet insbesondere auch die Entscheidung über seinen Aufenthalt, seine Schulwahl oder auch gesundheitliche Belange. Wenn in diesen Bereichen eine Gefährdung für das Kind besteht, und die Eltern nicht bereit sind, dieser entgegenzuwirken, kann das Gericht ihnen Teile der Sorge oder auch das gesamte Sorgerecht entziehen. Dabei unterliegt das Gericht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d. h. es darf nur erforderliche Maßnahmen ergreifen und hat stets zu prüfen, dass diese auch die mildesten Eingriffe in das elterliche Sorgerecht darstellen. Eingriffe nach § 1666 BGB in das Elternrecht kommen danach immer nur dann in Betracht, wenn von einer konkreten Gefahr für das Kind auszugehen ist. Das Gericht hat dabei auf Grundlage der Ermittlungen zu entscheiden, ob eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr vorliegt, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Das erstinstanzliche Familiengericht hatte der alleinsorgeberechtigten Mutter nach umfangreichen Ermittlungen Teile der elterlichen Sorge entzogen, um eine Unterbringung ihres Kindes zu erreichen. Das Kind leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Familiengericht. Zwar habe der eingesetzte Sachverständige der Mutter die Betreuung zunächst zugetraut, jedoch sei damit zu rechnen, dass die Mutter mit fortschreitendem Alter ausfalle bzw. nicht mehr in der Lage sei, auf ihr Kind einzuwirken. Sie werde von den Beteiligten auch als sehr liebevolle Mutter wahrgenommen, fördere ihr Kind aber nicht ausreichend. Langfristig lasse sich daher eine Unterbringung nicht vermeiden.

Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Braunschweig aufgehoben, mit der Folge, dass die elterliche Sorge bei der Mutter verbleibt. Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwerbehinderten Kindes zukünftig ausfalle, stelle keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer für das Kind vorteilhaften frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertige nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge. Auch der Vorwurf, dass das Kind nicht die bestmögliche Förderung erhalte, begründe keine Gefährdung des Kindeswohls. Sowohl die Mutter als auch die umfassende Betreuung des Kindes in der Schule stellten sicher, dass die unverzichtbaren Bedürfnisse des Kindes gewährleistet würden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, seien hingegen vom Kinderschutzrecht nicht von dem Wächteramt erfasst. Das Oberlandesgericht hat ferner berücksichtigt, dass die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt seine Gesamtsituation nicht verbessern würde, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwerer wiege.

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